Lernort Europäisches Grünes Band heißt ein Bildungsprojekt, das das Centrum Bavaria Bohemia in Schönsee im zweiten Jahr entwickelt.
Die Schülerinnen und Schüler sollen sich in der außergewöhnlichen Landschaft des Grünen Bandes zurechtfinden und lernen, auch die Dinge wahrzunehmen, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. Das Projekt entsteht aus einer Reihe von Fragen und Antworten, die in großen und kleinen Aktivitäten draußen in der Landschaft des Grünen Bandes, im Centrum Bavaria Bohemia oder auch im Klassenzimmer von Schülerinnen und Schülern gesucht werden:
• Stand auf dieser unebenen, mit Bäumen bewachsenen Fläche früher ein Dorf?
• Welche Spuren hinterließen die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts in der Landschaft des Grünen Bandes?
• Wie kam es zur Vertreibung der Sudetendeutschen und welche Folgen können wir noch heute an der bayerisch – tschechische Grenze beobachten?“
• Warum sieht der Wald in Bayern anders aus als der benachbarte Wald in der Tschechischen Republik, obwohl er unter den gleichen natürlichen Bedingungen wächst?
• Stimmt es, dass heutzutage drei Personen genügen, um 250 Hektar Land zu bewirtschaften? Was hätten die Bauern vor hundert Jahren dazu gesagt?
• Wie sehen die Felder in Bayern aus, wo der Staat das Privateigentum respektierte, und wie sehen sie in Tschechien aus, wo der kommunistische Staat die Landwirtschaft verstaatlichte und der Planwirtschaft unterstellte?
Das Centrum Bavaria Bohemia formuliert die Themen und Fragen, stimmt sie mit praxiserfahrenen Lehrkräften ab und organisiert Pilotprogramme für Schülerinnen und Schüler verschiedener Schularten. Die Lehrerfortbildung, die am 28. und 29. April in Marienbad und im Grünen Band stattfand, zeigte, wie das vom Bayerischen Landtag geförderte und vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus methodisch begleitete Projekt vorangekommen ist.
Die UNESCO-Welterbestätte Marienbad wurde – nach vorhergehenden Treffen in Schönsee und Rybník / Waier – als Tagungsort gewählt, um das Kulturerbe, das ebenfalls zum Grünen Band gehört, in den Vordergrund zu stellen. Die Veränderungen und Umbrüche, die für das Grüne Band kennzeichnend sind, lassen sich auch an der Entwicklung des Kurwesens in Marienbad ablesen.
Die sudetendeutsche Stadt im Egerland wuchs im 19. Jahrhundert sehr schnell. Die bessere Gesellschaft aus ganz Europa traf sich hier und gab dem Kurbezirk ein internationales Flair. In der Zeit des Nationalsozialismus diente der Kurort der Erholung der Soldaten und tschechischen Arbeiter, die in der Kriegsindustrie tätig waren. In der Zeit des Realsozialismus funktionierte das Kurbad wie eine Fabrik, in der die Arbeiter ihre Batterien für weitere Arbeiten für den Staat aufluden. Nach 1989 war es notwendig, ein neues Klientel und ein neues Geschäftsmodell zu erschließen – was offenkundig gelungen ist, denn heute kommen wieder Menschen aus der ganzen Welt nach Mariánské Lázně/Marienbad.
An verschiedenen Lernorten im Grünen Band sollen Schulklassen die Möglichkeit haben, sich vor Ort mit Themen aus den Lehrplänen für Geschichte, Geographie und Politik & Gesellschaft auseinanderzusetzen. Vom gewaltsam entvölkerten ehemaligen militärischen Sperrgebiet, das zum Europäischen Grünen Band wurde, bis hin zum Kurort, der kürzlich zusammen mit einer Reihe anderer europäischer Kurorte in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Mittelfristig soll auch das Grüne Band in die UNESCO-Liste aufgenommen werden. In der Machbarkeitsstudie und im Laufe des Bewerbungsprozesses wurde klar, dass die Kombination von Kulturerbe und Naturerbe die besten Aussichten hat.
„Im Bildungsprojekt Lernort Grünes Band entwickeln wir abgestimmt auf die Lehrpläne ab Klasse 7 Angebote, die teilweise im Workshopformat an den Schulen umgesetzt werden können, und teilweise in der faszinierenden Landschaft des Grünen Bandes stattfinden,“ berichtet die Leiterin des CeBB Dr. Veronika Hofinger. Parallel dazu findet immer wieder die Abstimmung mit einer Gruppe von Lehrkräften aus verschiedenen Schularten statt.
Einer der Lehrer, die an den verschiedenen Aktivitäten des Projekts Lernort Grünes Band beteiligt sind, ist Andreas Bucher von der Berufsschule Cham. Er berät das Projekt aus der schulischen Praxis heraus und nimmt mit seinen Schülerinnen und Schülern an Pilotveranstaltungen teil. Seine Schülerinnen und Schüler wanderten eine 15 Kilometer lange Strecke durchs Grüne Band. Oft kein Handyempfang, nasse Füße, wunderschöne Landschaft. Abends ein Lagerfeuer mit Bratwürsten und Grillkäse. Andreas Bucher will seinen Schülern außergewöhnliche Erlebnisse ermöglichen und findet sie im Projekt.
Manche Aktivitäten des künftigen Schulprogramms sind ganz einfach, wie z.B. die gemeinsame Zubereitung einer Brotzeit mit regionalen Produkten, bei der die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Essgewohnheiten in Bayern und Böhmen deutlich werden. Kombiniert kann die Brotzeit mit einem Besuch in der aktuellen Ausstellung im CeBB in Schönsee, die sich ebenfalls mit dem Grünen Band befasst. „Bei Workshops in den Schulen kommt unser Museumskoffer zum Einsatz: Die Geschichte und Gegenwart des Grünen Bandes wird mit historischen Originalgegenständen und Plakaten buchstäblich ‚begreifbar‘“, erzählt Jan Šícha, der Historiker im Projekt. Erst dann geht es hinaus in die Natur des Grünen Bandes, wo wir die Informationen auf andere Weise erleben.
Aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer entsteht im Projekt Lernort Grünes Band ein unkonventionelles Angebot, das die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler auf neue Art weckt und hilft, den Lehrplan anschaulich mit Inhalten umzusetzen, die man selbst anfassen und fühlen kann. Wenn die Schülerinnen und Schüler die kaum sichtbaren Überreste ehemaliger Dörfer entdecken, werden ihnen die Grenzen der menschlichen Zivilisation und die politischen Veränderungen bewusst, die das Leben früherer Generationen geprägt haben. „Wir stellen aber auch immer die Frage: Was kann in Eurem Leben passieren? Wie würdet ihr mit unerwarteten Situationen, in die Euch die politische Entwicklung stürzen kann, umgehen?“, so Jan Šícha.
Die Welt von heute verliert allmählich die Gewissheiten, an die wir uns lange gewöhnt haben. Einer der Gründe, warum das Bildungsprogramm im friedlichen und schönen Grünen Band eine großartige Lektion in Geschichte, nachhaltiger Entwicklung und guter Nachbarschaft in Europa ist, sind die Veränderungen zum Besseren der letzten 35 Jahre, angesichts derer es angebracht ist, zu danken und zu staunen.