Warum in die Ferne schweifen, wenn das Abenteuer gleich vor der Haustür liegt? Genau das fragten sich die unternehmungslustigen Bewohner der Brandweihersiedlung – und schnappten sich ihre Fahrräder. Das Ziel: das benachbarte Grafenwöhr, eine Stadt mit reicher Vergangenheit und lebendiger Gegenwart.
Pünktlich am Morgen startete die Gruppe, teils per Rad, teils mit dem Auto. Schon bald traf man sich im schattigen Biergarten vom „Stich'n”, wo die ersten Gespräche über alte Zeiten, neue E-Bikes und die bevorstehende Stadtführung lebhaft die Runde machten. Bei kühlen Getränken und frischer Brotzeit stärkte sich die Truppe für den kommenden Programmpunkt – die historische Stadtführung mit Schauspiel-Elementen.
Gleich zu Beginn wartete ein Stück lebendige Geschichte auf die Weidener. An der ehrwürdigen Pestsäule erfuhren sie von einem eindrucksvollen Brauch: Jedes Jahr am 20. Januar, dem Gedenktag des Heiligen Sebastian, legt ganz Grafenwöhr die Arbeit nieder. „Das ist unser Ortsfeiertag”, erklärte Stadtführerin Franziska Scherm mit Nachdruck, „an diesem Tag haben Behörden, Banken, Geschäfte – ja sogar viele Firmen – geschlossen. Und das Beste: Der Brauch wurde als Immaterielles Kulturerbe Bayerns anerkannt.” Beeindruckt lauschten die Brandweihersiedler, während die Mittagsglocken vom nahen Kirchturm läuteten.
An der Stadtmauer wartete bereits der Schmied Martin Posser – oder vielmehr ein Darsteller in seiner Rolle. Mit kräftiger Stimme rief er: „Ich hab den Schweden gezeigt, was ein Grafenwöhrer Schmied draufhat!” Er erzählte, wie er mit einem Ofenrohr auf der Stadtmauer die Schweden narrte und sie mit einer echten Kanone in die Flucht schlug – ein listiger Coup, der in die Ortsgeschichte einging.
Am Thumbach begegnete die Gruppe einer anderen Figur aus vergangener Zeit: eine Waschfrau in Kittelschürze, mit Zuber und Waschbrett. Sie klagte über den beschwerlichen Alltag vor Strom und Waschmaschine und brachte die Kinder mit ihren Anekdoten über „Klopfer, Laugensieder und kalte Finger” zum Kichern.
Stadtführerin Scherm, kenntnisreich und charmant, geleitete die Gruppe weiter durch die Gassen der Altstadt. Sie sprach über die Leuchtenberger Herrschaft, das historische Braurecht, über das Holz aus dem Umland und die tiefen Keller im Annaberg, in denen früher das Bier lagerte. Immer wieder war Staunen in den Gesichtern der Teilnehmer zu erkennen – zu vieles davon war neu oder längst vergessen.
Besonders beeindruckte die Geschichte über den Bau des Truppenübungsplatzes im Jahr 1908. „Das Königreich Bayern errichtete ihn damals vor den Toren Nürnbergs, doch Grafenwöhr bekam den Zuschlag”, erklärte Scherm. Später, im Zweiten Weltkrieg, prägten dann amerikanische Truppen das Stadtbild. „Die Amis machten sich einfach die Stadttore passend”, sagte sie mit einem Schmunzeln, „einfach durchgefahren – fertig war die neue Zufahrt.”
Am Militärmuseum wartete eine Überraschung: Ein als US-Soldat gekleideter Darsteller erzählte von niemand Geringerem als Elvis Presley. Der King of Rock'n'Roll habe einst selbst in Grafenwöhr gedient. Die Kinder rissen die Augen auf, als sie erfuhren, dass Elvis wirklich in Bayern war – nicht nur im Radio.
Der Ausflug klang mit einem letzten Blick über die Dächer der Altstadt aus. Die Brandweihersiedler traten zufrieden die Heimreise an – manche wieder auf dem Rad, andere mit dem Auto. Einhellige Meinung aller Beteiligten: „So eine lebendige Geschichtsstunde könnten wir öfter machen – das war kein Ausflug, das war eine Reise in die Vergangenheit.”